Von Bodentruppen und Landkarten

Viel wurde über das zerrüttete Verhältnis zwischen Macron und Scholz geschrieben. DIE ZEIT, die Süddeutsche Zeitung und die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) sind davon nicht ausgenommen. – Mehr als das manchen in Frankreich in seiner ehemaligen politischen Heimat der Sozialistischen Partei lieb ist, füllt Macron sein Amt im Sinne des Vaters der Verfassung, nämlich General De Gaulle in Wort und Bedeutung aus. Die Akribie, mit der Macron in seinem Amtsverständnis und seiner Praxis das von de Gaulle für die 5. Republik vorgesehene Verständnis von Außen- und Sicherheitspolitik ausfüllt, wird von den sogenannten Gaullisten mit oberflächlichen und routinemäßigen Nörgeleien begleitet.  –

In deutschen Blättern wird nahezu nie erwähnt, welche grundlegenden Unterschiede es gibt zwischen einem Kanzler, der durch eine Regierungskoalition der Bundestagsabgeordneten gewählt, oder abgewählt wird, der selbst bei Evakuierungsflügen von Zivilisten aus einem Krisen- oder Kriegsgebiet durch die Bundeswehr den Bundestag um Erlaubnis fragen muss einerseits und einem französischen Staatspräsidenten im Verfassungsrahmen der “fünften Republik” der in direkter Wahl gewählt und bestätigt wurde.

Es ist deutschen Autoren keiner Erwähnung wert, dass der französische Staatspräsident als Oberbefehlshaber persönlich und nach Beratung alleine entscheidet, ob und wann das französische Militär zum Einsatz kommt.

Als Garant der nationalen Unabhängigkeit, der territorialen Integrität und der Einhaltung von Verträgen (Artikel 5 der französischen Verfassung)  entscheidet das Staatsoberhaupt über den Einsatz von Streitkräften und trägt zu diesem Zweck die Verantwortung und die Befugnis, gegebenenfalls die Atomstreitkräfte einzusetzen. (Artikel 15)

Die immer wieder von Journalisten und deutschen Politiker wiederholte Behauptung der französische Staatspräsident habe ein monarchisches Gehabe, hätte François Mitterrand geantwortet: “Rechtlich bin ich der Nachfolger der Könige von Frankreich”.  Er hatte die Verfassung der 5. Republik Jahrzehnte lang reformieren wollen, bis er selbst das Amt des Staatsoberhaupts inne hatte und dem gleichen Vorwurf ausgesetzt war wie Emmanuel Macron.

Es würde der FAZ, der ZEIT und anderen sicher nicht schlecht zu Gesicht stehen, wenn die angesehene Zeitung eigene Recherchen und Quellen bemühen würde. Bei überaus dynamischem Weltgeschehen am 08. März aus einer Parlamentsdebatte von Anfang Februar zu zitieren und vor allem die Opposition aus vorwiegend oppositionellen Medien zu zitieren, ist, zurückhaltend ausgedrückt, unvollständig.

Der französische Verteidigungsminister, kann Präsident Macron nicht korrigieren und würde das auch nie beanspruchen, auf jeden Fall nicht lange. – Untergegangen ist die Einordnung Lecornus (in dem zitierten BFM Fernsehinterview) in die Tradition der Außen- und Sicherheitspolitik der französischen Republik de Gaullescher Prägung. –

Völlig aus der deutschen Perspektive ist verschwunden, dass Pressefreiheit und die soziale Marktwirtschaft in der Bundesrepublik nach 1945 NUR durch Bodentruppen der Westalliierten möglich wurden. – Aber paste & copy ist einfacher. – Richtig ist: Frankreich schützt die territoriale Souveränität Moldawiens am Boden und in der Luft . Richtig ist: Dass Macron und Lecornu festhalten, dass es zur Zeit  keine konkreten Einsatzpläne für Bodentruppen gibt, dass dies aber für den Fall nicht ausgeschlossen wird, in dem russische Truppen auf Kiew und/oder Odessa vorrücken würden. –

Fiele Odessa in russische Hände, wären nicht nur die Transporte von Unterstützungsgütern der Verbündeten der Ukraine auf der Südroute abgeschnitten, die Ukraine hätte auch keinen Zugang zum Schwarzen Meer mehr.

Bodentruppen

Am 28. Februar 2024 hat Transnistrien, die abtrünnige mehrheitlich russischsprachige Provinz Moldawiens, in der Moskau schon 1500 „Friedens Soldaten“ stationiert hat, offiziell Putin um Hilfe gebeten. –  Vom Südzipfel Transnistriens sind es ca. 65 km nach Odessa, bequem auf der E 581. Dieser potenzielle Weg befindet sich östlich des Dnjestr und des Donaudeltas und wird daher (aus russischer Sicht) von diesen beträchtlichen natürlichen Hindernissen „geschützt“.

Frankreich hat in Cincu, Rumänien, rund 1000 Soldaten stationiert und schützt den rumänischen Luftraum und überwacht den Moldawischen Luftraum. Nach dem neuen Sicherheits- und Verteidigungsabkommen zwischen Frankreich und Moldawien vom 07.03.2024 wird der moldawische Luftraum nicht nur überwacht, sondern auch aktiv geschützt. –

Wenn die Verwaltungsjuristen im Bundeskanzleramt die selbst gezimmerte TAURUS-Produkthaftung zur Seite legten, und ihren Schulatlas bemühten, drängte sich die Erkenntnis auf, dass die Ukraine ein großes Land mit langen Grenzen ist. Bodentruppen können auch Grenzsicherung oder Sicherung des Luftraums sein.  –

Gerade die Sicherung der Straße E 581 zwischen Transnistrien und Odessa ist mit Bodentruppen zur Zeit auch auf ukrainischem Territorium ohne Kampfeinsatz möglich. – In Deutschland scheint die Lufthoheit über deutschen Stammtischen und die Rücksicht auf Wahlumfragewerte für die SPD wichtiger, als die Erinnerung an die wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland, die nur durch die von den Westalliierten garantierte Freiheit  West-Berlins und der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1945 und 1989 unter dem Schutzschirm der Truppen der Vereinigten Staaten, von Großbritannien und von Frankreich ermöglicht wurde – mit Bodentruppen.

Es ist bemerkenswert, wie in der größten Partei der deutschen Regierungskoalition, die SPD und der deutsche Bundeskanzler für sich selbst eine besondere Besonnenheit und moralische Überlegenheit reklamiert und damit impliziert, dass es andere nicht sind. – Geradezu originell wird es, wenn der deutsche Bundeskanzler vor der Presse erklärt, dass es keine Bodentruppen der NATO oder europäische Bodentruppen in der Ukraine geben wird. – Die Richtlinienkompetenz des deutschen Bundeskanzlers ist jedoch beschränkt auf den Geltungsbereich des deutschen Grundgesetzes. https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_65.html

Gleiches gilt für den Zuständigkeitsbereich des Bundesministers der Verteidigung Pistorius, der, wie der Bundeskanzler den Einsatz von Bodentruppen der NATO (das zu verhindern hatte Deutschland wie Ungarn die Möglichkeit) und Europäischer Länder ausgeschlossen hat, was an wilheminischer Vermessenheit kaum noch zu überbieten ist. (Sagte doch Kaiser Wilheim II.: “Am deutschen Wesen soll die Welt genesen)

Eine deutsche Zurückhaltung in Fragen des Militärs und der Verteidigungspolitik ist mit Blick auf die Jahre der Nazi-Diktatur zwischen 1933 und 1945 nachvollziehbar. Mit Blick auf die Jahrzehnte in Frieden, Freiheit und Wohlstand, die zwischen 1945 und 1989 durch Bodentruppen der Westalliierten garantiert wurde, ist sie es nicht. Verantwortung vor der Geschichte ist kein Selbstbedienungsladen.

Die Erinnerung an die Fehler der Politik des Appeasements von 1938 hat den französischen Präsidenten zur Aufgabe seiner Vermittlungsversuche gegenüber Putin geführt. Die Vermittlungsversuche in den ersten Monaten nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, fanden übrigens in enger Abstimmung mit dem ukrainischen Präsidenten statt, wie die Mitschnitte der Telefonkonferenzen belegen.

Das Sicherheitsabkommen zwischen Frankreich und Moldawien vom 07. März 2024 zusätzlich zur starken französischen Militärpräsenz in Rumänien ist also ebenso folgerichtig wie die Information aller im französischen Parlament vertretenen Parteien am 08. März 2024.

Das Abkommen sieht die Überwachung und den aktiven Schutz des moldawischen Luftraums (ggf. vor russischen Luftlandetruppen) ebenso vor, wie die aktive Abwehr von Cyberangriffen auf Regierung und Infrastruktur Moldawiens.

Die russischen Planungen zur Übernahme Moldawiens von vornherein bereits in den ersten Überlegungen zu stören, ist unblutiger als eine verstärkte russische Militärpräsenz aus Moldawien werfen zu müssen.  –

Wäre es wirklich „unbesonnen“, um in der Gedankenwelt des deutschen Bundeskanzlers Scholz zu bleiben, wenn französische Berufssoldaten Odessa schützen und den Schutz des Luftraums über Moldawien auf den Luftraum über Odessa ausdehnten?

Wäre es wirklich „unbesonnen“, wenn britische Berufssoldaten im Norden entlang der Weißrussischen Grenze die E95 und die E373 sichern und so sowohl Chernihiv als auch Kiew schützten ?

Beides ist durch die Zusagen aus dem „Budapester Memorandum“ gedeckt. Diese Zusagen der beiden Atommächte Frankreich und Großbritannien an die Ukraine anlässlich ihres Verzichts 1994 auf die Atomwaffen aus der Sowjetzeit einzulösen, wäre ein Gewinn an Glaubwürdigkeit und eine neue Erinnerung an die Vertragsbrüchigkeit Russlands. (s. mein Artikel zum „Budapester Memorandum“)

Welches Konzept ist also friedlicher und vermeidet sicherer eine bewaffnete Konfrontation mit Zerstörung und Verlust an Menschenleben? Die Scholzsche Appeasement Politik oder die operationelle Beschränkung und das „Einfrieren“ aller russischer Expansionsgelüste.

Das ist auch der Grund, warum die Liste der Staaten, die eigene Bodentruppen in der Ukraine nicht mehr ausschließen immer länger wird. TH

 

 

 

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